Das Ultimatum-Spiel und seine Bedeutung für unseren Umgang mit Geld

Ultimatum-Spiel

Menschen sind schon echt komplexe und seltsame Wesen. Und gerade wenn es um Geld geht, verhalten wir uns schnell alles andere als rational. Diese Tatsache wird durch das Ultimatum-Spiel verdeutlicht.

Was ist das Ultimatum-Spiel?

Das Ultimatum-Spiel ist ein Experiment aus dem Bereich der Spieltheorie, das zeigt, dass Menschen sich insbesondere dann nicht rational und ökonomisch verhalten, wenn sie sich unfair behandelt fühlen.

Das Spiel geht so:

Ein Spielleiter und zwei Spieler, Spieler A und Spieler B, sitzen am Tisch. Der Spielleiter gibt Spieler A 100€. Spieler A muss mit Spieler B teilen, kann aber die Aufteilung selbst bestimmen. Einziger Haken: Lehnt Spieler B den Anteil ab, den ihm Spieler A geben möchte, gehen beide leer aus.

Rational betrachtet müsste Spieler B jeden Betrag akzeptieren, da selbst ein Euro oder ein Cent ein Gewinn für ihn wäre. In der Praxis zeigt sich aber, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Spieler B ablehnt, signifikant steigt, wenn er weniger als 40€ angeboten bekommt. Dann nämlich überwiegt die psychologische Belohnung, Spieler A für seine Unfairness bestraft zu haben.

Interessanter Weise ist das Unabhängig von der Höhe des Betrags, es geht lediglich um die Relation. Wenn Spieler A deutlich weniger als 50% abgibt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Spieler B ihn bestrafen möchte und dafür bereit ist, selber auf einen Gewinn zu verzichten.

Und als wäre das nicht schon seltsam genug, so bietet die Mehrheit der A-Spieler in dem Experiment den B-Spielern irgendetwas zwischen 35 und 50% an. Wieso das? Rational betrachtet wäre es doch schlau, nur einen Cent anzubieten. Nun, Spieler A, der selbst nicht rational ist, nimmt an, dass Spieler B auch nicht rational entscheidet und überlegt daher, welchen Betrag er selbst noch gerade so akzeptieren würde. Somit antizipiert Spieler A also das Verhalten von Spieler B und gibt freiwillig mehr ab. Damit erhöht er paradoxer Weise seine Gewinnwahrscheinlichkeit.

Was bedeutet das für unseren ökonomischen Erfolg?

Das obige Beispiel lässt sich leicht auf das reale Leben übertragen. Man sieht das häufig bei erbitterten Rechtsstreitigkeiten, wo eine Partei eine Einigung ablehnt und lieber bis aufs Blut weiter klagt und sowohl Zeit als auch Geld investiert, nur um die andere Partei “fertig” zu machen.

Und auch beim Allgemeinen Hassthema “Steuern” kann und das Ultimatum-Spiel ordentlich was kosten. Viele Menschen machen lieber keine Gewinne, bevor sie noch mehr Steuern zahlen müssen. Dann werden also lieber irgendwelche unnötigen Ausgaben generiert nur um den Gewinn möglichst klein zu kriegen.

Wenn das langfristig dem Vermögenswachstum dient, ist das natürlich vollkommen okay, wenn es aber nur Ausgaben sind, dann kann es sein, dass man sich wie Spieler B verhalten hat. Spieler A wäre in diesem Beispiel der Staat.

Das Ultimatum-Spiel beeinflusst aber nicht nur unseren Umgang mit Geld. Auch im Umgang mit Kollegen und Geschäftspartnern spielt es eine wichtige Rolle. Wenn sich jemand in einer Beziehung (geschäftlich oder privat) unfair behandelt fühlt, so ist er  eher bereit, diese Beziehung zu beenden, auch wenn das für beide Seiten einen Nachteil bedeutet. Menschen verzichten also auch auf Erfolg, wenn sie sich unfair behandelt fühlen und der anderen Partei “eins auswischen” können.

Für Dich bedeutet das konkret zwei Dinge. Zum Einen (als Spieler A) solltest Du Deine Mitmenschen fair behandeln. Nicht nur, weil sich das so gehört, sondern auch, weil das aus ökonomischer Sicht total viel Sinn ergibt. Zum Anderen (als Spieler B) solltest Du nicht gleich alles über Board schmeißen, wenn Du Dich ungerecht behandelt fühlst, sondern abwägen, ob es das, rational gesehen, wirklich wert ist.

Eine andere Variante des Ultimatum-Spiels

Eine weitere besonders seltsame Art dieses Experiments ist die folgende: An der Havard-Universität wurden Studenten befragt, ob sie lieber in einer Firma arbeiten würden, in der sie jährlich 50.000$ verdienen, obwohl alle anderen nur 25.000$ verdienen oder ob sie lieber in einer Firma 100.000$ verdienen würden, wenn dort alle anderen sogar 200.000$ verdienen.

Rational gesehen müssten natürlich alle in der zweiten Firma arbeiten wollen. Tatsächlich aber wollte die Mehrheit lieber in der ersten Firma arbeiten, da sie dort besser gestellt ist, als ihr Umfeld. Totaler Schwachsinn.

Aber es lassen sich wichtige Erkenntnisse daraus gewinnen, die uns beim Vermögensaufbau helfen können. Die wichtigste Botschaft ist wohl die folgende: Du musst nicht immer und in jeder Hinsicht “besser” da stehen als Dein Umfeld. Messe Dich nicht an anderen sondern an Dir selbst.

  • Wenn Dein Nachbar ein neues Auto hat, musst Du nicht nachziehen.
  • Wenn Dein Kollege eine Gehaltserhöhung erhält, freu Dich für ihn und arbeite darauf hin, das auch zu erreichen (wenn Du das willst). Aber verlang nicht einfach nur mehr, weil das sonst ja unfair wäre. Wenn Du eingeschnappt reagierst, weil Du Dich benachteiligt fühlst, wird das Deine Chance auf eine Gehaltserhöhung nicht gerade steigern.
  • Jeder Mensch hat seine eigenen Ziele. Mach nicht den Fehler und jage den Zielen der Anderen hinterher.
  • Du musst nicht besser sein, als Dein Umfeld, Du musst lediglich das Maximum für Dich heraus holen.

Fazit

Das Ultimatum-Spiel zeigt uns, wie irrational Menschen sich verhalten können, wenn sie sich unfair behandelt fühlen. Das kann man auf Geld aber auch auf anderen Themen beziehen.

Wenn man über diese Irrationalität bescheid weiß, kann man sich bewusst dagegen wehren und sich angemessen und rational verhalten. Dies trifft sowohl zu, wenn man in der Rolle von Spieler A ist, als auch, wenn man in der Position von Spieler B ist.

Quellen

Kennst Du weitere Beispiele?

Schreibe mir in einem Kommentar, welche Beispiele Du noch für das Ultimatum-Spiel kennst. Hast Du so etwas schon mal in Deinem Umfeld erlebt?

10 Kommentare

  1. Ein Bekannter von mir (Soziologe) hat sogar seine Masterarbeit über dieses Experiment geschrieben. Das letztere mit dem Gehalt verwundert mich aber: Ich würde definitiv Nr. 2 wählen, weil Nr.1 zum einen nur Neid schüren würde und weil 100.000 Euro eine Menge Geld sind. Vielleicht kommt es auch auf die Höhe des Betrags an: 5 Euro abzulehnen, wenn der andere 95 bekommt, ist vielleicht eine Bestrafung wert. 5000€ vs. 95.000 sind zwar unfair, allerdings wäre man weniger bereit, 5000€ zu zahlen, um jemanden eins auszuwischen. Dann auch die Frage: Bekomnt das restliche Geld ein Fremder oder ein Freund?

    Die Spiele-Show “Shafted” basiert auf dem Gefangenendilemma (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Gefangenendilemma): Vertraut man einander oder fällt man sich gegenseitig in den Rücken? Real gesehen wird man bei einem Fremden eher mit einem Verrat rechnen und ihm deswegen ebenfalls hintergehen.

    1. Hi Jenny,
      vielen Dank für die interessante Ergänzung des Gefangenendilemmas. Das kannte ich so nicht.

      Ja ich würde definitiv auch Nummer 2 wählen. Ist mir persönlich eigentlich egal, was andere verdienen, solange ich relativ zu meinen Optionen das Beste rausgeholt habe.

      Zum Ultimatum-Spiel: Ich weiß nicht, ob es eine Rolle spielt, ob ein Fremder oder ein Freund das Geld aufteilt. Wenn dieser Freund unfair teilt und mir nur einen sehr geringen Anteil abgibt, fühle ich mich doch erst recht betrogen, da ich das von einem Freund nicht erwarten würde. Bei einem Fremden wäre die Enttäuschung vermutlich geringer, da man hier keine Erwartungen hätte. Der Versuchsaufbau sieht meines Wissens aber vor, dass sich die beiden Parteien nicht kennen.

      Subjektiv betrachtet würde ich Dir zustimmen: Ich wäre eher bereit, 5€ auszuschlagen als 5000€ um jemandem eins auszuwischen. Auf der anderen Seite würde dieser jemand vermutlich eher 50.000€ anbieten da für ihn der Verlust auch viel größer wäre, wenn ich doch ablehnen würde. Wenn man bei 100€ noch pokern könnte und nur 5€ anbietet (schlimmstenfalls sind es “nur” 100€), würde ich mir das bei 100.000€ als Teilender doppelt überlegen.

      Viele Grüße
      der Finanzfisch

  2. Zusätzlich zum Ultimatum-Spiel kommt noch erschwerend dazu, dass in der Realität die Fakten nicht so offensichtlich sind, wie dies bei der Studie ist.
    So kommt es nicht unbedingt darauf an, ob jemand wirklich ungerecht behandelt wurde. Es kann auch einfach sein, dass er glaubt er sei ungerecht behandelt worden und reagiert dann zum eigenen sowie zum Nachteil des anderen.

    Jeder versucht sich selbst besser darzustellen, als er in Wirklichkeit ist. Zudem verzerrt die eigene Wahrnehmung noch die ganze Situation. Dadurch handeln dann die Menschen irrational, obwohl die Situation eigentlich gerecht ist, sie dies aber nicht so wahrnehmen.

    Ich denke besonders im Bereich des Geldes zeigt sich die Irrationalität in sehr ausgeprägter Weise. Neid, Missgunst und Angst um den eigenen Status sorgen dafür, dass es für viele Menschen schwer ist rational mit dem Geld umzugehen. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass kein Bereich sich so stark auf das eigene Leben auswirkt, schließlich verbringen die meisten Menschen den Großteil der wachen Zeit damit Geld zu verdienen und einem Job nachzugehen.

    Schöne Grüße

    Dominik

    1. Hallo Dominik,
      die Situation des “ungerecht behandelt fühlens” hat man meines Erachtens gerade beim Ultimatum-Spiel. Letztendlich kriegen ja beide Parteien Geld geschenkt. Durch den Aspekt, dass Person A teilt und Person B ablehnen darf kann es aber eben dazu kommen, dass Person B sich “übervorteilt” fühlt. Wenn Person A 5% abgibt, ist das doch erst mal nett. Erst dadurch, dass Person B am längeren Hebel sitzt ergibt sich die Situation, dass sie überlegen muss, ob sie sich fair behandelt fühlt.

      Abgesehen davon teile ich Deine Einschätzung davon, dass Menschen zu Irrationalität im Umgang mit Geld neigen. Es wäre interessant zu wissen, ob das auch in anderen Kulturen so ist, wo Statussymbole nicht auf Geld beruhen bzw. wo Statussymbole nicht so eine große Bedeutung haben. Ich könnte mir vorstellen, dass Geld dort eher als Mittel zum Zweck und relativ emotionslose gesehen wird.

      Viele Grüße
      der Finanzfisch

  3. Hallo Finanzfisch,

    ein wirklich extrem spannendes Thema. Ich habe geraumer Zeit bereits über verschiedene Arten von diesem Experiment gelesen. Ich war damals ziemlich schockiert. Wie Doof wir Menschen uns verhalten sobald wir uns übervorteilt behandelt fühlen.

    Persönlich kenne ich noch das Beispiel mit Urlaubstagen. Auch hier haben die meisten Personen lieber weniger Urlaubstage gewählt. Als in Summe mehr Tage zu haben aber somit auf einen “Vorteil” gegenüber der Nachbarschaft und Kollegen zu verzichten.

    Toller Beitrag und tolle Einschätzung von dir.

    Gruß

    Christian

    1. Hallo Christian,
      vielen Dank für das Lob! 🙂
      Es freut mich sehr, dass Dir der Artikel gefällt.

      Das mit den Urlaubstagen ist interessant. Ich habe noch gar nicht darüber nachgedacht, dass das beim Urlaub bestimmt das gleiche Ergebnis ist. Allerdings kann ich das auch hier nicht ganz nachvollziehen. Ich würde auch hier lieber mehr Urlaub haben, auch wenn alle anderen noch mehr Urlaub bekommen. 😉

      Viele Grüße
      der Finanzfisch

  4. Hallo Finanzfisch,

    ein toller Artikel! Spieltheorie-Vorlesungen haben mich immer begeistert. Wir hatten an der Uni auch ein Labor für derartige Experimente. Um die Teilnahme haben wir uns gerissen, denn um verwertbare Ergebnisse zu erzielen, durften die Teilnehmer das Geld behalten 🙂

    Das Ultimatum-Spiel wird manchmal um eine zweite Runde erweitert, in der Spieler B die Verteilung eines zweiten Betrages bestimmen darf. Interessant ist hier, inwieweit sich Spieler A in der ersten Runde anders verhält, sofern er vorher weiß, dass es eine Zweite geben wird.

    Auch sehr interessant fand ich das Ziegenproblem: https://de.wikipedia.org/wiki/Ziegenproblem

    Schöne Grüße, Stefan

    1. Hallo Stefan,
      vielen Dank für Deinen Kommentar. Das Ziegenproblem kennt man ja noch aus dem Mathematikunterricht. Allerdings geht es hierbei doch eher um Wahrscheinlichkeiten und weniger um Psychologie.

      Wie war denn das Ergebnis, wenn Spieler B danach teilen darf? Ich hätte jetzt erwartet, dass beide 50/50 anbieten würden in der Hoffnung, dass beide Parteien annehmen und somit beide exakt die Hälfte gewinnen. Würde Spieler A weniger als 50% anbieten, stiege das Risiko, dass Spieler B ablehnt. Darüber hinaus steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Spieler B selber weniger anbietet.

      Schade. Bei uns an der Uni gab es solche Studien nicht, bei denen man um Geld spielen konnte und es dann behalten konnte. Bei uns gab es Geld nur für medizinische Studien (häufig mit Medikamenteneinnahme). 😉

      Viele Grüße
      der Finanzfisch

      1. Puh.. an die genauen Ergebnisse erinnere ich mich nicht mehr.

        Ich denke, wenn B sich rational (besser gesagt: Nutzen maximierend) verhält und davon ausgeht dass A ebenfalls seinen Nutzen maximieren will, dann wird er jedes Angebot der ersten Runde annehmen und in der zweiten Runde einen Cent anbieten. Wenn ich mich recht erinnere, dann haben sich Wirtschaftsstudenten rationaler verhalten als Nicht-Wirtschaftsstudenten.
        Ich denke, die meisten Spieler B haben A dasselbe Angebot gemacht, das er ihnen vorher machte… und es lag nahe 50%.

        Viele Grüße, Stefan

  5. Gerade zum Thema Einkommen fällt mir ein – leider häufiges – Beispiel ein:

    Zwei Eltern trennen sich und einer von beiden verdient wesentlich mehr als der andere (z. B. Vater Beamter, Mutter ALGII-Bezieherin).
    Rational wäre es nun sinnvoll, den Unterhalt unter der Hand zu regeln, um so allen, besonders aber dem Kind, die größte Ersparnis zu verschaffen.
    Tatsächlich höre ich oft, dass beide Seiten versuchen, den anderen zu schädigen, wovon dann oft die dritte Partei, nämlich der Staat, profitiert ( z.B. vom Vater eingeklagter Unterhalt wird mit ALGII verrechnet).
    Nicht nur “eingeschnappt”, sondern sogar krankhaft ist hierbei vor allem, dass man nicht nur auf den eigenen Vorteil verzichtet, um die Gegenseite zu “bestrafen”, sondern sogar das gemeinsame Kind schädigt, das unter dem Strich mehr leidet und weniger Geld bekommt, als wenn man sich außergerichtlich geeinigt hätte.
    Eltern als Rollenvorbilder, und so wird auch die nächste Generation zur Missgunst erzogen.

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