Hilfe, ich habe einen Bausparvertrag!

Lass dir keinen Bausparvertrag andrehen!

So, jetzt ist es raus. Ich habe einen Bausparvertrag. Und ich weiß bis heute nicht, wieso ich mich darauf eingelassen habe.

In diesem Artikel möchte ich dir erklären, wie es dazu gekommen ist und wieso ich aus heutiger Sicht keinen Bausparvertrag mehr abschließen würde.

Zunächst ein paar Rahmendaten zu meinem Bausparvertrag

Eigentlich klang das erst ganz verlockend:

  • monatlich sparen
  • Sparrate von nur 75€
  • nur 1% Gebühren (einmalig)
  • bei einer Laufzeit von 10 Jahren eine Verzinsung von 3,26% p.A.
  • sicher
  • vorab kündbar

Gut. Das mit den Zinsen stimmt nicht so ganz. Die Grundverzinsung beträgt nur 0,5% p.A. Aber ich war ja fest entschlossen, den Bausparvertrag die vollen 10 Jahre zu besparen.

Okay. Das mit den Gebühren stimmt auch nicht so ganz. Die beziehen sich nämlich nicht auf das, was man einzahlt, sondern auf die Bausparsumme. Das war mir damals nicht so klar.

Wenn man mal gründlich nachdenkt, und das habe ich damals nicht getan, dann sieht es plötzlich ganz anders aus:

  • Bausparsumme: 25.000€
  • Ansparbetrag: 9.000€
  • Gebühren betragen 1% von der Bausparsumme, also 250€
  • effektive Gebühren betragen demnach 2,78%
  • effektiver Zinssatz bei einer Laufzeit von 10 Jahren: 2,62% p.A.

Ich werde gleich noch im Detail auf die einzelnen Aspekte eingehen. Zunächst aber möchte ich dir meine damalige Situation erläutern. Ich habe den Vertrag erst seit 2015, aber er stammt noch aus der Zeit bevor ich mich selbstständig um meine Finanzen gekümmert habe.

Meine Situation im Juli 2015

Ich war fast mit dem Studium fertig. Ich hatte einen festen Job in Aussicht. Und: Ich wusste nichts mit dem Geld, das ich bald regelmäßig bekommen würde, anzufangen. Mir war klar, dass das Tagesgeldkonto alleine keine Option ist.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich zwar schon Interesse am Börsengeschehen, aber noch nicht das nötige Wissen und vor allem nicht das nötige Vertrauen in mich, um mit ETFs oder Einzelaktien anzufangen.

Darüber hinaus hatte ich ein überzogenes Sicherheitsbedürfnis im Bezug auf Geld, das mir von Kindheitsbeinen an eingetrichtert wurde.

Mein Plan für die Börse lautete im September 2015, ersteinmal mit Musterdepots zu spielen um ein Gefühl für Aktien, Kurse und Schwankungen zu bekommen. Parallel wollte ich aber noch irgendwas sicheres mit hohen Zinsen haben.

Ich wusste zu der Zeit bereits, dass ich niemals ein Eigenheim auf Kredit bauen würde.

Und überhaupt, bei 25.000€ Bausparsumme wäre das Eigenheim auch eher eine Hundehütte gewesen. Ich weiß nur noch nicht, ob mit oder ohne Fenster.

Da glücklicherweise die monatliche Sparrate auf 75€ begrenzt war, ist eigentlich klar, dass dieses Produkt nicht für Häuslebauer sondern für Sparer konstruiert wurde. Das war mir auch damals schon bewusst und hatte mich nicht weiter gestört.

Für mich war das einfach ein langfristiges, sicheres Sparprodukt mit attraktiven Zinsen. Es war für mich zum Zeitpunkt der Unterzeichnung die beste Option. Naja okay. Es war die einzige Option.

Mein Standpunkt im März 2016

Ich habe das übertriebene Sicherheitsbedürfnis abgelegt. Ich habe verstanden, dass hohe Chancen immer mit einem hohen Risiko einhergehen. Und ich habe verstanden, dass man das Risiko reduzieren kann, indem man diversifiziert.

Mittlerweile habe ich ETFs und Aktien verstanden und weiß, wie ich Aktien auswählen kann. Ich bespare verschiedene ETF-Sparpläne monatlich, investiere in P2P-Kredite und habe auch einige Einzelaktien. Ich habe bereits Schwankungen von -15% im Depot erlebt. Es hat mir nichts ausgemacht. Börse ist für mich also von etwas Vorstellbarem eher zu etwas Alltäglichem geworden.

Heute müsste ich also nicht zweimal überlegen, ob ich diesen Bausparvertrag abschließen oder lieber in einen breit diversifizierenden ETF investieren würde.

Der einzige Grund, wieso ich den Bausparvertrag noch nicht gekündigt habe, ist die zusätzliche Diversifikation, die er mir bringt. Der Vertrag ist relativ Unabhängig vom Börsengeschehen, vom Tagesgeldkonto und von anderen Anlageklassen. Die hohen Gebühren habe ich eh schon gezahlt.

Zu den echten Rahmendaten des Bausparvertrags

Vielleicht hast du dich schon gefragt, wie ich auf die ganzen Zahlen oben gekommen bin. Die effektiven Gebühren und der effektive Zinssatz standen nämlich nicht so klar im Faktenblatt zu dem Produkt. Oder ich habe sie übersehen.

Das wäre auch gut möglich, da dieses Faktenblatt die Daten für drei Produkte auf drei Seiten kleingedrucktem Text zusammengefasst hat. Ein ziemliches Durcheinander. Welche Zahlen gelten nun für welches Produkt?

Um die Zahlen einmal konkret auszurechnen, habe ich den Fondsrechner auf Zinsen-berechnen.de verwendet. Folgende Daten habe ich eingegeben:

  • Sparrate (monatlich): 75€
  • Jährlicher Kurszuwachs: 3,26%
  • Laufzeit: 10 Jahre
  • Bearbeitungsgebühr (mit Einzahlung verrechnen): 250€

Heraus kommt die effektive Rendite von 2,62% p.A.

Die echten Gebühren ergeben sich einfach, indem man die Gebühren (250€) durch die Ansparsumme (75€ x 12 Monate x 10 Jahre = 9.000€) teilt. Das ergibt dann einmalig 2,78%.

Jetzt vergleichen wir den Prospekt: 3,26% p.A. im Prospekt vs 2,62% p.A. effektiv – ein ziemlich schlechter Deal!

Ich habe mir mal den “Spaß” gemacht, eine tabellarische Aufstellung über die 10 Jahre zu machen. Die Tabelle beantwortet die Frage, wieviel ich bei einer Kündigung nach 1 – 10 Jahren zurück erhalten würde. Dabei rechne ich bei einer Kündigung innerhalb von 9 Jahren mit einer Verzinsung von 0,5% p.A. – denn: erst Bei einer Laufzeit von 10 Jahren würde ich 3,26% p.A. erhalten.

Laufzeit in Jahren Prospekt-Rendite p.A. Effektive Rendite p.A. Absoluter Gewinn
1 0,5% -46,58% -248,69€
2 0,5% -13,28% -243,00€
3 0,5% -5,76% -232,78€
4 0,5% -3,04% -218,00€
5 0,5% -1,77% -198,66€
6 0,5% -1,08% -174,72€
7 0,5% -0,66% -146,15€
8 0,5% -0,39% -112,95€
9 0,5% -0,21% -75,08€
10 3,26% 2,62% 1.281,92€

Auffällig ist hier, dass man nur dann keinen Verlust macht, wenn man die vollen 10 Jahre durchhält.

Die Inflation lasse ich bei dieser Betrachtung mal außen vor. Wenn wir von einer wahren Inflation von über 3% ausgehen, muss man kein Mathegenie sein, um zu sehen, dass ich den Inflationsausgleich damit nicht schaffe.

Mein Fazit

Lass dir keinen Bausparvertrag andrehen!

Bausparverträge können sich möglicherweise Lohnen, wenn du noch nicht viel verdienst und von der staatlichen Wohnungsbauprämie profitierst. Das weiß ich nicht!

Als Sparprodukt für Personen mit über 25.600€ Bruttoeinkommen (Verheiratete 51.200€ Brutto) lohnt sich so ein Vertrag nicht, da du dann keine Zuzahlungen erhältst.

Überlegungen zu meinem Bausparvertrag

Aus Ertragssicht müsste ich den Vertrag sofort kündigen. In dem Fall gilt: Je früher desto besser. Der einzige Pluspunkt ist die zusätzliche Diversifikation. Aus Ertragssicht ist das Ding ein Rohrkrepierer.

Fakt ist, dass man mit einem ETF-Sparplan über 15 Jahre auf den MSCI World in der Vergangenheit im Schnitt etwa 7,4% Rendite p.A. erzielt hätte. Selbst, wenn ich von pessimistischen 4% p.A. bei 10 Jahren ausgehe (ausgedacht) und einer TER von 0,20% hätte ich noch immer eine effektive Rendite von 3,79% p.A.

Mit dieser Entwicklung hätte ich meine Kosten nach 10 Jahren schon mehr als raus. Die Differenz zwischen dem Gewinn im Bausparvertrag nach 10 Jahren und dem Gewinn eines ETF-Sparplans nach 10 Jahren wäre höher als die Gebühr, die ich für den Bausparvertrag berappen musste. Natürlich ist das nicht garantiert.

Insgesamt komme ich aktuell zu dem Entschluss, den Bausparvertrag zu behalten. Der Grund darin liegt in der Risikoverteilung. Aktuell beträgt mein risikofreier Anteil laut Portfolio Performance 26,93%. Meine monatlichen Sparraten gehen zu etwa 66% in risikobehaftete Anlageklassen. Nur die restlichen 34% kommen dem risikofreien Anteil zu Gute.

Langfristig steigt der risikobehaftete Anteil also wesentlich schneller als der risikofreie. Ich muss mich also irgendwann eh fragen, ob z.B. der Börsenanteil nicht eh schon zu hoch ist. Möglicherweise würde ich in dem Fall wieder mehr aufs Tagesgeldkonto legen, um den Ausgleich zu schaffen. Es wäre also kurzsichtig, jetzt den Bausparvertrag zu kündigen und alles in ETFs zu packen, um dann in einem Jahr mehr aufs Tagesgeldkonto zu sparen.

  • War der Bausparvertrag ein Fehler? – Definitiv!
  • Ist kündigen und alles in ETFs packen die ultimative Lösung? – Leider nein.

Wichtig ist, dass diese Entscheidung nur eine Momentaufnahme ist. Wenn sich die Fakten ändern (z.B. steigende Zinsen auf dem Tagesgeld), muss die Situation neu bewertet werden.

Nun zu Dir!

Schreibe mir in einem Kommentar, wie du dich entscheiden würdest und wieso:

  • kündigen oder
  • nicht kündigen?
Bild: Ryan McGuire (gratisography.com)

4 Kommentare

  1. Hurra, ich habe drei Bausparverträge:

    2 mal von der Debeka mit 3% Guthabenverzinsung, “unbegrenzter” Laufzeit[1] und drei Monate Kündigungsfrist (aka Sparbuch). Die werden sogar noch bespart.

    1 mal von der LBS mit 0,9% Guthabenverzinsung, “unbegrenzter” Laufzeit[1] und drei Monate Kündigungsfrist[3], jeder Zeit fällig stellbar[2]. Wird nicht aktiv besparrt.

    Das alles fällt in die RK1, also ein ganz anderes Pflaster als RK3 (aka Aktien, Fonds und ETF auf solche).
    Welche Alternativen in der RK1 hast Du zu den oben genannten Produkten anzubieten?

    Aber inzwischen haben die Bausparkassen mitbekommen, dass viele Kunden garkeinen Kredit aus dem Veretrag wollen und sind mit den Zinsen zurückhaltender und den Gebühren mutiger geworden. Daher dauert es lange, bis man die Abschlußgebühr wieder durch Zinsen gutgemacht hat. 🙁

    [1] Unbegrenzet Laufzeit = bis die Bausparkasse kündigt, weil volle Bausparsumme erreicht oder Kredit zulange nicht abgerufen oder sonst ein Schlupfloch in den Vertragsbedingungen gefunden.

    [2] D.h. noch nicht zuteilungsreif, aber alt genug und könnte wohl doch eine Einmalzahlung zuteilungsreif gemacht werden.

    [3] Und Jährlich im Advent ein Angebot ohne Kündigungsfrist kündigen zu dürfen.

    1. Hallo troll,
      solange Du noch solche Konditionen erhältst, ist das nicht schlecht. Das dürfte aktuell aber eher schwierig werden.
      Ich erhalte ja 3,26% p.A. aber nur, wenn ich das 10 Jahre laufen lasse. Und für ein Produkt mit einer relativ geringen Rendite sind Kosten von 2,5% auch nicht wenig.

      Aber Du hast Recht: in dieser Risikoklasse habe ich nicht viel. Lediglich mein Tagesgeldkonto und diesen Bausparvertrag. Das ist allerdings für mich auch absolut ausreichend, da ich mich bewusst für eine riskantere Anlagestrategie (viel ETFs, Aktien, P2P-Kredite) entschieden habe. Das geht natürlich nur mit einem ausreichend großen Zeithorizont.

      Würde ich aktuell nach etwas in RK1 suchen, würde ich vermutlich eher auf eine Festgeld-Pyramide setzen, da hier die Gebühren deutlich besser aussehen.

      Beste Grüße
      der Finanzfisch

  2. Hallo Finanzfisch,

    hast du mittlerweile deine Meinung geändert? Wirst du – aufgrund der zunehmenden Volatilität – deinen Bausparer auflösen (immerhin sind es 6 Monate Kündigungszeit) um dann alles in den ETF beim Crash zu packen?

    Ich bin am überlegen ob ich das mache. Bzw. ich will es unbedingt machen. Aber ich schrecke noch davor zurück, a lá “Was wenn ich doch plötzlich spotan eine Wohnung kaufen möchte? Dann kann ich mir die Anzahlung nicht mehr leisten”. Argh…

    Wie gehts du damit um?

    LG
    Sarah

    1. Hallo Sarah,
      gute Frage!
      Ne ich habe mich entschieden, an diesem Plan festzuhalten. Der Bausparvertrag ist für mich einfach Teil des risikoarmen Portfolio-Anteils und daran rüttle ich nicht mehr. Würde ich den Vertrag auflösen, würde der Erlös ruck zuck in Aktien/ETFs wandern und wenn dann ein Crash käme, hätte ich wieder nix. Ich kenne mich. 😉

      Allerdings spiele ich durchaus mit dem Gedanken, meine Sparquote eher etwas auf dem Tagesgeldkonto anzusparen um eine größere Reserve zu haben, wenn es wirklich mal crasht. Aber bisher habe ich immer gleich alles investiert und letztendlich ist das ja auch nur eine Form von Markettiming. 🙂

      LG
      Tobias

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